Seit 1971 küren NABU und LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern) den Vogel des Jahres, inzwischen stimmt ganz Deutschland in einer öffentlichen Wahl über den Jahresvogel ab. Die Aktion hat vom Baum bis zum Höhlentier des Jahres zahlreiche Nachahmer gefunden.
Bei der Wahl zum Vogel des Jahres 2023 ist das Braunkehlchen an die Spitze geflattert – mit einem beachtlichen Stimmenanteil von 43 Prozent. Auch wenn der kleine Vogel nicht ganz so auffällig ist wie sein Vorgänger, der Wiedehopf, lässt sich der 12 bis 14 Zentimeter große Wiesenbrüter gut erkennen: Er trägt eine Augenbinde, einen sogenannten Überaugenstreif. Deshalb wird er auch als „Wiesenclown“ bezeichnet. Die Kehle und die Brust sind orangebraun gefärbt, der Rücken ist braun mit dunklen Flecken. Die Weibchen sind wie bei fast allen Vogelarten etwas bräunlicher und dezenter gefärbt.
Hier lebt das Braunkehlchen
In Deutschland findet man das Braunkehlchen vor allem im Osten und Norden. Seine Lebensräume sind recht unterschiedlich. Es bevorzugt artenreiche Wiesen ebenso wie trockene Magerrasen oder moorige Gebiete. Häufig verweilt der zierliche Vogel auf einem Zaunpfahl, einer hohen Staude, einer Distel oder einem Schilfhalm und startet von hier aus seine Jagdflüge. Taucht ein Greifvogel am Himmel auf, nimmt das Braunkehlchen in starrer und gestreckter Haltung eine „Pfahlstellung“ ein – und hofft so von Bussard, Rotmilan und Co. übersehen zu werden.
Um einiges beweglicher wird der 15 bis 24 Gramm leichte Vogel auf seinem Zug ins tropische Afrika, wo er in den Savannen und Grasländern südlich der Sahara den Winter verbringt. Kehrt das Braunkehlchen im April zurück aus dem Winterquartier nach Deutschland, hat der Langstreckenzieher mehr als 5.000 Kilometer hinter sich. Wie viele andere Zugvögel fliegt das Braunkehlchen nachts, tagsüber sucht es nach Nahrung oder ruhen sich aus. Bei uns angekommen hält es nach blütenreichen Wiesen und Brachen Ausschau, um hier in Bodennestern zu brüten. Für den Nestbau nutzt das Braunkehlchen Moos, Gräser und Halme – eben alles an Material, was auf einer naturnahen Wiese zu finden ist.
Dringend gesucht: Lebensraum und Nahrung
Seine benötigten Lebensgrundlagen findet das Braunkehlchen allerdings immer seltener: Ein Großteil der ehemals extensiv bewirtschafteten Wiesen wurde zu Ackerland umgewandelt oder fiel einer intensiven Weidewirtschaft zum Opfer. Der Einsatz von Pestiziden entzieht dem kleinen Wiesenbrüter außerdem die Nahrungsgrundlage, denn mit den Ackergiften verschwinden immer mehr Insekten, Spinnen und andere Kleinlebewesen. Das hat gravierende Folgen: Inzwischen brüten in vielen Gebieten keine Braunkehlchen mehr. Allein zwischen 1980 und 2016 sank der Bestand in Deutschland um 57 Prozent. In der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands von 2020 gilt der Vogel des Jahres 2023 als stark gefährdet (Kategorie 2). Regional ist die Vogelart vom Aussterben bedroht. So auch im Westerwald, wo nach Untersuchungen bis zu 73% des Bestandes verschwunden sind. Aktuellen Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland noch rund 19.500 bis 35.000 Brutpaare, die meisten davon sind in Mecklenburg-Vorpommern zu finden.
Tipps zum Schutz des Braunkehlchens
Ob als kommunale*r Vertreter*in, als Landwirt*in, Grundstückseigentümer*in oder aus Liebe zur Natur: Es gibt verschiedene Wege, sich für das Braunkehlchen einzusetzen.
Tipps für Verbraucher*innen: Kaufen Sie regionale, ökologisch produzierte Lebensmittel. Bei der Wahl hilft etwa die NABU Siegel-Check-App.
Forderungen zum Schutz
Hilfe für das Braunkehlchen können Feuchtwiesen-Schutzprogramme auf großen zusammenhängenden Wiesenflächen bieten. Strukturbereicherungen, wie etwa das Belassen von Altgrassteifen mit drei- bis vierjährigem Mahdrhythmus, tragen ebenfalls zur Erhaltung einer abwechslungsreichen Wiesenlandschaft bei. Wiedervernässung und eine extensivere Grünlandnutzung, die Reduktion von Düngemitteln und Bioziden, sowie vor allem die Anpassung von Mahdterminen an die Brutzeiten des Braunkehlchens (Mahd erst ab Mitte Juli), sind weitere geeignete und wirksame Schutzmaßahmen.